Schon wieder ein Abschied
Am Wochenende haben wir Jans Zimmer in Bayreuth leergeräumt. Wieder ein Abschied, wieder ein eigenartiges Gefühl. Das Wetter war angemessen regnerisch.
Manchmal kam ich mir vor wie ein Plünderer, der sich über manche Dinge freut, die wir gut gebrauchen können. Sein Computer, ein guter, großer Koffer, das E-Piano, das Sparkonto, das einen Teil der Kosten aufwiegt... Ich ringe immer noch mit der richtigen Einstellung darum. Natürlich ist es sinnvoll, richtig, Dinge weiter zu nutzen und das auch als positiven Wert bei all dem Bedrückenden wahrzunehmen. Bloß braucht das scheinbar genau so viel Zeit wie das Trauern und Begreifen des Todes.
Tom und Micha waren mit und haben sich alles angeschaut, ebenfalls zum letzten Mal. Marc und Jutta sind auch mit dem Auto nach Bayreuth gekommen, damit wir alle Sachen hierherbringen konnten. Vielen Dank für diese riesengroße Hilfe!
Im Vorfeld habe ich das Ganze sehr sachlich genommen. Ich fand es gut, auch diesen Schritt zeitnah zu erledigen. Ich wollte auch nicht noch etwas offen haben für Wochen, um dann noch einmal neu mit der Realität von Jans Abschied von dieser Welt konfrontiert zu werden. Die Beerdigung ist erst eine Woche her, da passt das auch noch gut mit hinein. Dachte ich.
Heute, einen Tag nach unserer Rückkehr, werde ich von genau dieser Realität doch ganz neu getroffen.
In der vergangenen Woche war der Alltag langsam zurückgekehrt. Immer mal wieder habe ich auch über unsere neue Situation nachgedacht, Jans Vergangenheit, seine neue Realität bei Gott. Ich merke jetzt, dass diese Gedanken aber oberflächlicher wurden. Vielleicht ist das der Versuch meines Innersten, sich an Jans Tod zu gewöhnen, ihn hin- und anzunehmen.
Heute Morgen merkte ich, dass in mir doch wieder ein tiefes Gefühl von Niedergeschlagenheit und Müdigkeit aufkam. Erst als ich mir die Ruhe genommen habe, um dem nachzufühlen, habe ich den Abschiedsschmerz und die Trauer darin entdeckt. Nicht nur sein Fehlen jetzt und in Zukunft schmerzt, auch die letzten drei Jahre, in denen unser Kontakt loser und der Einfluss weniger wurde, bedrücken. Er konnte sich nur bedingt von uns und anderen helfen lassen, vermochte es selbst ebenfalls kaum. Das tut mir leid, für ihn; er tut mir leid. Ich wünschte, es hätte anders gehen können. Ich weiß, dass es nach menschlichem Ermessen nicht anders ging; mein Herz hört bloß nicht immer hin, wenn ich ihm das erklären will.
Es ist interessant (und ermutigt mich auch für die nächsten Tage), dass diese dunklen Gefühle irgendwann zu Ende gefühlt sind. Plötzlich lichtete sich in mir der Nebel und die Sonne kam heraus. So als hätte irgendjemand in meinem Hirn oder wo auch immer einen Hormonhahn aufgedreht, der das Gelöste und Verarbeitete abspült und sich wieder ein normaler Gemütszustand einstellt.
Wieder bin ich dankbar für die große Natürlichkeit, mit der ich Gott in meinem Inneren erlebe. Er ist Bestandteil meines Denkens und Fühlens (das zuzulassen, ist erst einmal mein Anteil); aber ich vermute, dass es sein es sein Heiliger Geist ist, der in mir diese gute und immer wieder hoffnungsvolle Verarbeitung ermöglicht. Hinter dem Heiligen Geist vermutet man ja gerne entweder etwas transzendentes, unbegreifliches, oder man erwartet Wunder und heilige Gefühle. Sicher ist Gott manchmal auch so. Für mich ist sein Geist im Moment aber einfach seine wohltuende Gegenwart, ein Verwobensein mit ihm. Insofern ist es doch ein kleines Wunder, wie er mich so begleitet, dass ich meinen Weg zu meinen Gefühlen und mit meiner Trauer immer wieder finden kann; zumindest immer den nächsten Schritt. Nicht manipulierend, nur liebevoll begleitend. Dazu fällt mir ein Vers aus dem Alten Testament ein:
Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst; ich will dich mit meinen Augen leiten.
Psalm 32 Vers 8
Ich habe das Gefühl, jetzt ist es erst einmal wieder gut. Und wieder spreche ich es aus, bestimmt nicht zum letzten Mal: "Jan, ich lasse dich gehen."