Ruhe vor dem Sturm?
Heute war ein komischer Tag. Kommt vor.
Eigentlich ist alles gut. Micha ging fröhlich zur Schule, kam aber früher zurück, weil es ihn doch alles beschäftigte. Ist OK, haben wir so besprochen. Auch von der Schule aus haben sie alle Freiheiten. Tom blieb direkt zuhause, weil er Zeit zum Nachdenken haben wollte.
Ich selbst bin heute Morgen ganz gut gestartet, aber irgendwann kam ein Loch. Kein schlimmes, trauriges, aber irgendwie war alle Energie flöten. Sachen klären, organisieren, telefonieren, alles total doofe Ideen. Gestern habe ich mich noch über Zeit und Tatendrang gefreut; heute war nur Zeit.
Bisher habe ich immer gesagt, alles ist OK. Traurigkeit, Tränen, Unsicherheit, nicht schön aber gehört dazu. Durchhängen gehört aber nicht dazu, finde ich. Nervt mich. "Ich hätte jetzt Lust, auf irgendwas Lust zu haben", habe ich heute Mittag zu Sonja gesagt. Ups, darin entdecke ich Jan, wie es ihm in seiner Depression so schlecht ging. Wenn er nicht aus dem Bett wollte. Konnte. Wenn es ihm zehnmal schlechter ging als mir heute, wie schrecklich. Depression ist viel mehr als 'dann machs halt ohne Lust'. Bei mir wäre das heute noch gegangen. Einmal sagte Jan mir, manchmal habe er dringend zur Toilette gemusst. Trotzdem hätte er es noch eine Viertelstunde ausgehalten, weil es ihm so unendlich schwerfiel, aufzustehen; etwas tun, Initiative, Bewegung, Antrieb, wahrscheinlich hat ihn das alles im Gehirn geschmerzt; nicht nur Unlust, sondern quälende Anti-Lust. Wochenlang. Der Arme. Zum Glück ging es wenigstens damit irgendwann aufwärts.
Na gut, ist eigentlich doch OK bei mir :-) Mit einer depressiven Verstimmung, die sogar nachmittags wieder verschwindet, werde ich wohl leben können. Das zeigt mir mal wieder, wie viel vom richtigen Blickwinkel abhängt.
Und von Dankbarkeit.
Darf man sich auf eine Beerdigung freuen? Irgendwie freue ich mich. Die vielen Menschen, die so schrecklich lieb waren in den letzten Tagen, zu sehen. Gemeinsam von Jan zu erzählen und sein Lieblingsessen zu essen. Einschließlich Chips und Cola. [Oma Lissi verdreht jetzt bestimmt die Augen, aber makabererweise hat Jan Recht behalten: An Chips und Cola stirbt man nicht. Entschuldigt den schwarzen Humor, aber Jan würde sich jetzt köstlich amüsieren!]
Morgen geht's auf die Zielgerade. Zuversichtlich.