Platt, geliebt, dankbar.
Wir sind alle fertig.
Teresa bleibt mit ihrer Freundin über Nacht, Samstagmorgen werden sie zurück nach Bayreuth fahren. Einige Zeit sitzen wir noch zusammen in der Küche und reden. Irgendwann hat jeder das Bedürfnis, sich zu rückzuziehen.
Ich ziehe mich ins Schlafzimmer zurück und lasse die Gedanken fließen. Da ist so vieles in mir. Erinnerungen an die Zeit mit Jan, Erinnerungen an das Begräbnis. Vor allem aber gehen mir viele Aussagen einzelner durch den Kopf. Es tut gut, viel Anerkennung zu hören.
Wir wären gute Eltern für Jan gewesen, auch trotz unserer teils schwerwiegenden Fehler; aber richtig, niemand hat es gewusst, wir auch nicht. Ja, wir haben ihn geliebt, das war seit zehn Jahren unser Hauptanliegen, selbst als nichts anderes zu bleiben schien.
Wir gehen gut mit der Situation um, teilen uns mit, verziehen uns nicht ins Schneckenhaus, sagen viele. Das ehrt mich. Ja, es stimmt tatsächlich. Es war auch nicht immer leicht. Aber es stimmt auch: wir machen das für uns. Unsere Freunde zu informieren, mit hinein zu nehmen, das hat uns selbst so viel zurückgegeben. Die vielen E-Mails, die uns halfen, weil sie im Wissen um unseren Zustand geschrieben werden konnten, waren Gold wert. Im Schneckenhaus wären wir alleine geblieben.
Dieser Blog, damit zwinge ich mich selbst, die Reflektion zeitnah in Worte zu fassen. Ich hoffe, ich enttäusche euch jetzt nicht, aber nicht alles, was hier steht, war sofort in dieser Klarheit auch in mir. Teilweise habe ich mein Abwarten und noch-nicht-Wissen ausdrücklich beschrieben und geteilt. Manches sortierte sich aber auch erst beim Schreiben, so dass ich direkt das fertige Paket präsentieren konnte.
Lange denke ich darüber nach, was will ich jetzt. Ablenkung? Fernsehen? Schrecklich. Reden, reflektieren? Vielleicht morgen wieder. Um die Kinder kümmern? Muss ich gerade nicht, unten sind noch Peter, Ineke und die vier Kinder zu Besuch bei Oma und Opa, da sind sie dabei.
Ich frage mich, was bleibt von heute, wie fühle ich mich? Ich spüre so etwas wie Liebe und Dankbarkeit.
Gott liebt Jan! Gott liebt mich, uns, hat uns so gut vorbereitet und getragen. So viele Menschen sind liebevoll gewesen, so zugewandt. Mitfühlend und auch ermutigend, meistens auf eine wirklich gute, hilfreiche Art. Ich habe die Umarmungen heute aufgesogen. Ich habe mich wirklich gefreut über ganz viele einzelne Freunde, sie bei mir zu haben und an mich zu drücken. In mir entwickelt sich fast so etwas wie ein Gruppen-Verliebtsein. Wir sind zusammengerückt, ob Familie, Kollegen, Gemeinde, Bekannte. Ich, meine Familie, wir sind wirklich geliebt und angenommen. Auf sehr unterschiedliche Art, natürlich. Aber hundertmal wurden wir gedrückt, festgehalten, unterstützt und fest in ein großes Netz eingespannt. Im Alltag habe ich dieses Netz oft als viel schwächer und kleiner empfunden.
Ich bin dankbar, diese intensive Phase bis zur Beerdigung so gut überstanden, gemeistert zu haben. Manches haben wir selbst beigetragen, gute Entscheidungen getroffen, Selbstmitleid überwunden. Manches ist aber ein Geschenk. Gnade. Für Jan und für uns. Dazu gehören auch Gottes Versprechen über Liebe, Vergebung, Rettung, ewiges Leben. Davon dürfen wir zehren, einfach so, unverdient; Gnade eben. Ich weiß nicht, ob das theologisch korrekt ist, aber ich glaube:
Das ist der Friede Gottes, ganz persönlich für mich und in mir. Wow, danke, Himmlischer Vater. Mein Herz schwingt.