Jan, du fehlst uns!

Erinnerungen an die Zeit mit Jan

4. Februar 2019

Es geht voran – mit kleinen Umwegen

Eigentlich bin ich sehr zufrieden, wie es mir und uns geht. Doch es bleibt auch immer unterschiedlich.

Ungefähr eine Woche ist es her, da hat es Sonja und mich noch mal erwischt. Es ist selten geworden, dass einer von uns wirklich in ein Loch rutscht, aber es gibt diese Tage, an denen dieser bedrückende Anteil der Trauer wieder zutage tritt. Ich weiß schon gar nicht mehr, welcher Gedanke es eigentlich war, den Sonia äußerte. Ihr machte etwas zu schaffen, und dieses Gefühl übertrug sich auch schnell auf mich. Eigenartig - Gedanken, die schon öfter gedacht wurden, bekommen plötzlich wieder mehr Tiefe, oder auch mehr Schwere. Sachverhalte, die langsam verdaut schienen, treffen plötzlich ganz neu in die Tiefe des Herzens. Warum auch immer...

Es ist mal wieder interessant, wie ähnlich und oft zeitlich parallel Sonia und ich reagieren. Im Detail schon unterschiedlich. Eine oder zwei Wochen ist alles gut, und plötzlich trifft es uns wieder gemeinsam. Sonja hat vielleicht einen Tag länger gebraucht, bis sie sich wieder normaler fühlte. Doch seit knapp einer Woche geht es uns wieder ganz gut. Ähnliche Gedanken, ähnliche Erinnerungen wie vor einer Woche erzeugen plötzlich nichts mehr im Inneren, haben ihren Schrecken verloren.

Sonja arbeitet zurzeit an einem Artikel für das Team-F Magazin über Trauerbewältigung mit Kindern. Heute hat sie völlig locker daran gearbeitet; noch vor wenigen Tagen fiel ihr das viel schwerer, weil sie immer auch sehr stark an ihre eigene Situation denken (und fühlen) musste.

Ich merke schon, dass diese Zeiten der Traurigkeit, Nachdenklichkeit und seelischen Wundheit immer auch ihre guten Wirkungen entfalten. Auch wenn sie nicht schön sind, bestätigt mich das in meinem Vorsatz vom Anfang: wann und wie auch immer die Trauer kommt, sie ist richtig, sie darf sein.

Und ich fange an, zu verstehen und zu akzeptieren, dass die tiefe Verarbeitung dessen, was geschehen ist, nicht nur in sehr unterschiedlichen Bereichen stattfindet, die zusammenwachsen müssen; sondern auch jeweils in vielen einzelnen Wellen, die jedes Mal ein bisschen tiefer greifen.

Ich erinnere mich an den ersten Tag, als ich eine halbe Stunde nach dem alles verändernden Anruf im Bus nach Hause saß. Man sagt, jetzt wird sich alles verändern, dachte ich. Was auch immer das heißen sollte. Würden wir das verkraften? Ich, Sonja? Was würde es mit unseren Kindern machen? Hat gerade eine Katastrophe begonnen? Um auf den Anfang dieses Eintrags zurückzukommen: ich bin wirklich zufrieden. Grundsätzlich geht es uns gut, grundsätzlich haben wir vieles verkraftet und verarbeitet. Und es hat uns sogar als Rest-Familie zusammengeschweißt. Das ist nicht selbstverständlich.

Ich bin Gott zutiefst dankbar, wie gut er uns durch diese schwere Zeit geführt hat. Und ich bin dankbar für die vielen Menschen, die in dieser Zeit so lieb zu uns waren. Und ich bleibe sehr zuversichtlich, dass es weiter bergauf geht mit uns.

Seit der letzten Woche bin ich auch wieder arbeiten. Ich beginne erst einmal mit 4 Stunden täglich, ab der nächsten Woche werden es vielleicht sechs Stunden. Dieser langsame Einstieg ist sehr wichtig, denn mittags merke ich, dass die Kräfte wirklich dem Ende entgegen gehen. Tief in mir arbeitet scheinbar noch einiges, das einfach Kraft verbraucht; auch wenn mir das oft nicht bewusst ist. Aber es ist auch schön, mehr zu Hause zu sein, mehr Kontakt zu den Kindern zu haben und auch immer mal wieder mit Sonja reden zu können. Gute Gespräche brauchen einfach die richtige Gelegenheit, und so gibt es davon ausreichend viele. Ich gewöhne mich langsam wieder an den altbekannten Wechsel zwischen Büro und Privatleben – das finde ich irgendwie beruhigend.