Jan, du fehlst uns!

Erinnerungen an die Zeit mit Jan

21. Mai 2019

Ein ganzes halbes Jahr!

Wow, tatsächlich ist es jetzt schon ein halbes Jahr her, dass uns die Nachricht von Jans Tod erreicht hat. Heute Morgen dachte ich noch daran, wie das gewesen ist. Wie wir von einer Sekunde auf die andere in eine völlig neue Dimension versetzt wurden, zumindest emotional.

So viel ist seitdem passiert. Die ersten Wochen waren heftig. Nie gekannte Emotionen, diese tiefe, schockierende Trauer. Intensiv benebelt, neben der Spur. Und in diesem Zustand viele Dinge zu organisieren, die in meinem Leben so nie vorgekommen waren. Aber vielleicht auch im normalen Alltag kaum auszuhalten gewesen wären.

Dann die Zeit danach, als sich irgendwie vieles beruhigte; aber gleichzeitig mein Lebensgefühl und meine Energie so eingeschränkt waren.

Erst seit wenigen Wochen bin ich wieder voll arbeiten und fühle mich mittlerweile wieder ganz im Alltag zurück. Im positiven Sinne. Und alles das, von dem ich gerade geschrieben habe, scheint schon sehr weit weg zu sein.

In den letzten Wochen habe ich selbst nur noch wenige Momente, die mir nahe gehen. Und auch die Intensität hat nachgelassen. Ich denke schon an jedem Tag öfters an Jan. An alte Zeiten oder auch an die Tatsache seines Todes. Die Emotionen, die das auslöst, fühlen sich aber irgendwie unspektakulär an. Eine innere Betroffenheit, ja, manchmal auch Traurigkeit oder leichte Melancholie. Meistens gehen diese Emotionen aber auch direkt wieder, wenn ich mich Anderem zu wende. Sie bleiben nicht und unterlegen nicht mehr so wie früher das ganze Lebensempfinden. Da bin ich schon sehr froh drum.

Gleichzeitig kommt auch manchmal die Frage auf, ob das nicht viel zu schnell geht. Andere erzählen davon, dass sie in ähnlichen Situationen ein bis zwei Jahre gebraucht haben, bis sich das Leben wieder einigermaßen normal anfühlte. Und das kann ich von mir bereits jetzt behaupten. Aber was soll's? Ich weiß, dass ich nichts wegschiebe. Ich lasse den Gefühlen den Raum, den sie brauchen. Und mehr Raum brauchen sie wohl gerade nicht. Vielleicht ist es wirklich so, dass wir gut vorbereitet waren, wie ich das ja schon mal geschrieben habe. Vielleicht ist es auch einfach ein Geschenk Gottes. So im Detail weiß ich es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass ich ihm vom Anfang an vertraut habe und alles relativ gut geworden ist. Was will man mehr 😉

Sonia erlebt solche nachdenklichen Momente noch öfter. bei ihr gehen sie auch etwas tiefer. Aber es ist auch bei ihr so, dass die emotionale Wirkung zeitlich begrenzt ist und sie gut wieder in den Alltag zurückkommt. Aber manchmal muss ich ihr dann doch zuhören, auch wenn ich selbst mich vielleicht in diesem Moment lieber nicht damit beschäftigen würde. Aber auch das geht, meistens zieht mich das nicht mit hinein. Daran merke ich auch, wie stabil mittlerweile vieles geworden ist.

Mittlerweile hatten wir schon wieder drei Tagesseminare. Am Anfang stellen wir jeweils auch unsere Familie vor. Wir hatten immer ein Foto von uns und unseren Kindern dabei, das wir mit dem Beamer gezeigt haben. Jetzt haben wir zwei Fotos, einmal zu fünft und einmal zu viert. Wir stellen uns so vor, dass wir drei Kinder haben, von denen eins schon im Himmel wohnt. Anfangs war ich mir unsicher, was das in mir oder auch in den Zuhörern auslösen würde. Aber es scheint für beide Seiten eine gute Formulierung zu sein. Sie stellt das klar, was ist, so kann es nicht mehr zu irgendwelchen doofen Situationen kommen. Andererseits betonen wir so vor allem die Hoffnung, so dass es nicht erschreckend oder überfordernd für die Zuhörer ist. Es geht immer leichter über die Lippen und wir merken, dass wir in dieser Lebenssituation trotz ihrer unerhörten Schlimmheit immer mehr zu Hause sind. (Der Vollständigkeit halber möchte ich anmerken, dass wir diese Formulierung von lieben Bekannten übernommen haben, die Ähnliches erlebt haben.

Bei den Kindern ist die Tatsache, dass Jan nicht mehr da ist, auch immer mal wieder Thema. Auch bei ihnen ist es manchmal okay und manchmal komisch. Wir bleiben weiter im Gespräch. Ich glaube, das ist das wichtigste was wir tun können. Wir bleiben aber auch offen für externe Hilfe, wenn sie nötig wird.

Unsere Hündchen wächst und gedeiht. Emmi macht uns schon eine Menge Arbeit, aber sie ist auch eine große Bereicherung für uns. Es ist schön zu sehen, wie sie wächst und gedeiht und immer wieder neues lernt. Auch Micha ist ganz verliebt, und damit haben wir eins der wichtigsten Ziele voll erreicht 😊

Mit Sonja und Emmi zusammen waren wir heute auf dem Friedhof. Das Grab ist mit Hilfe meiner Schwiegereltern mittlerweile schön bepflanzt. Das Holzkreuz ist schön, das lassen wir erst mal drauf. Wir haben uns auch erst einmal gegen eine klassische Umrandung aus Stein entschieden und grenzen einfach mit ein paar Pflanzen ab. Mal schauen, was wir irgendwann noch machen. Es ist gut, dass das Grab da ist, es erinnert an Jans ehemalige Präsenz, sein Leben, unsere Zeit mit ihm. Völlig strange, dass Jan da drin liegt. Und trotzdem – oder gerade deshalb – lenkt das immer wieder meinen Sinn auf diese Tatsache: Das ist nicht mehr Jan! Die Person, die mein Sohn ist und die ich liebte und liebe, ist ganz woanders. Er hat eine Abkürzung genommen. Blödmann. Aber irgendwie auch ganz schön schlau. Selbst im Tod hat er sich nicht verändert 😉 Wir sehen uns.