Jan, du fehlst uns!

Erinnerungen an die Zeit mit Jan

16. Dezember 2018

Der Alltag ist noch lange nicht alltäglich

Nach dem letzten Wochenende hatte ich das Gefühl, jetzt kann der Alltag langsam wieder zurückkehren. Doch der Alltag hat sich mir überwiegend entzogen.

Die Beerdigung ist vorbei, die wichtigsten Angelegenheiten sind geregelt, Jans Zimmer in Bayreuth ist leergeräumt. Auf was noch warten? Außerdem, das viele Nachdenken, Nachfühlen, Reflektieren und Erinnern wird langsam viel, macht nicht mehr so viel Spaß und ist wahrscheinlich auch nicht mehr so nötig. So manche Erkenntnis habe ich recycelt, mich mehrfach daran gefreut; und ja, sie hatten jeweils eine neue Bedeutung, einen kleinen neuen Aspekt. Aber da ich von Natur aus kein Philosoph bin, reicht es mir auch irgendwann.

Am Montag ging ich wieder arbeiten, den festen Vorsatz im Gepäck, es langsam angehen zu lassen. Sechs Stunden wollte ich bleiben und statt Mittagspause nach Hause gehen. So habe ich es auch gemacht. Allerdings hat mich das (gute) Gespräch mit meinen Kollegen doch sehr angestrengt. Ich war nicht ganz so konzentriert wie sonst, aber ich hatte mir auch keinen Stress gemacht, auch die Kollegen machten keinen, im Gegenteil. Aber nachmittags und abends zu Hause war ich völlig durch und zu nichts (na gut, wenig) zu gebrauchen. Dienstag war mir überhaupt nicht danach wieder arbeiten zu gehen. Bis Weihnachten habe ich jetzt offiziell eine Krankschreibung. Wenn ich will, kann ich trotzdem arbeiten, so viel ich will und mir guttut.

Mittwoch und Donnerstag habe ich es auf vier Stunden begrenzt, das ist wirklich überschaubar. Und es reichte auch vollkommen. Ich habe echt viel anderes im Kopf. Für eine überschaubare Zeit kann ich mich auf die Arbeit konzentrieren (und mich damit ablenken), aber mein Interesse ist ganz stark zu Hause, bei meiner Familie und bei mir selbst.

Freitag war ich dann wieder zu Hause; auch Samstag fühlte ich mich morgens wie in die Ecke gestellt. Keine Motivation, keine Idee, keine Ziele. Zu tun gäbe es bestimmt etwas, aber mein Hirn hatte nicht mal Lust, nachzudenken, was das sein könnte. Sonja guckte mich fragend an und ich versuchte, ihr das irgendwie zu erklären. Ich finde, Rückenschmerzen zu erklären ist einfacher.

Sie hatte eine glänzende Idee: Etwas Praktisches hilft mir, Ergebnisse zu sehen und an einer Sache dranbleiben zu können, ohne viel nachdenken zu müssen. Also habe ich Micha vorgeschlagen, sein Zimmer zu streichen. Der Plan war bislang, das nach Weihnachten zu erledigen, die Zutaten waren aber alle schon im Keller. So hab ich den ganzen Tag mit Micha oben gearbeitet. Vorbereitet, gespachtelt, abgedeckt, gestrichen. Micha kann schon echt viel und hat so einiges selbständig erledigt. Tatsächlich waren wir um 18 Uhr grob fertig und konnten das Zimmer mit Sonjas Hilfe zum Teil schon wieder herrichten.

Micha war glücklich über das schönere Zimmer, ich war glücklich einen Grund zu haben, gut zu schlafen.

Heute, Sonntag, waren wir nachmittags zu zweit auf dem Weihnachtsmarkt in Solingen Gräfrath (Schloss Grünewald). Über Preise will ich nicht reden, aber das Ambiente war sehr schön. Einfach ein schönes Erlebnis zwischendurch.

Insgesamt bin ich, sind wir sehr zufrieden, wie es uns geht. Ich hätte es mir schlimmer vorgestellt. Aber es ist ein sensibles System, in mir und auch wir als Familie. Es ist schnell aus dem Takt zu bringen.

Jetzt frage ich mich, ob ich morgen wieder Alltag probieren will? Oder läuft der eh wieder vor mir weg? Ein Freund meinte heute am Telefon, die Stadt Remscheid geht bestimmt nicht den Bach runter, wenn ich vor Weihnachten nicht wiederkäme. Da ist was dran, und meine Kollegen geben mir auch alle Freiheiten.

Tut mir ein bisschen Alltag gut? Oder gibt es Besseres? Wichtigeres? Die Kinder ermutigen wir schließlich auch, die wichtigsten Schulstunden zu besuchen, sofern es geht, kann ich mir selbst da diese Freiheit nehmen?

Innerlich fühlt es sich entlastend an, keine Verpflichtungen einzugehen und lieber in Ruhe Weihnachten vorzubereiten. Und den doofen Bürokram zu erledigen (gestern schrieb das Amtsgericht, ob ich helfen könnte, den Erben ausfindig zu machen, ein dreiseitiges Formular lag bei...). Und mich zu sortieren. Und Sonja den Rücken freizuhalten. Und nachmittags für die Kinder da zu sein. Und ein Teil davon zu sein, dass es zu Hause chillig ist und alle sich wohlfühlen. Und die Kisten aus Jans Wohnung durchzuforsten. Und das alles natürlich mit innerer Ruhe Gelassenheit und der Ruhe- und Nachdenkzeiten, die ich im Moment brauche...

Ich werde von meiner endgültigen Entscheidung berichten.