Der Abschied: zweiter Akt. Der Abschiedsgottesdienst.
Tom und Micha sitzen bei uns, auch in sich gekehrt. Was wohl in ihnen vorgeht? Wir schauen uns kurz an, aber der Moment gehört gerade jedem persönlich.
Draußen läuten die Glocken der evangelischen Kirche. Eine nette Geste der Pfarrerin, die Sonjas Eltern aus der Kirche kennt und mit der wir schon gemeinsame Gottesdienste gestaltet haben, die wir gerne angenommen haben.
Als Christian um 13 Uhr pünktlich mit der Begrüßung beginnt, wird schnell klar, dass wir die richtige Wahl getroffen haben. So wie er Jan kennt, uns, seine Situation, nimmt er alle (hoffe ich) mit in den Abschiedsgottesdienst. Kein "schön dass wir uns hatten und jetzt ist alles gut". Sondern Raum für Fragen, Ärger, Trotz.
Trotz des zu beklagenden viel zu frühen Todes singen wir "In Christus ist mein ganzer Halt". Eine Hymne auf Jesus, Gott, seine Rettungstat und unser ewiges Leben. Eine Hymne voller positiver Emotionen. Ich habe das Gefühl, viele greifen dies innerlich auf und singen von Herzen mit.
Ich denke alle, die Jan kannten, finden sich in dem wieder, was Christian formuliert. Die Ambivalenz in Jans Leben, seinem Empfinden und Denken. Begabung, Scheitern. Festhalten an Gerechtigkeit, die auf dieser Welt nicht zu finden ist. Geradlinigkeit, Blockade. Bei alledem weckt er ein Verständnis für Jans Sensibilität, seine Ernsthaftigkeit, seine Fähigkeiten zu denken und zu begreifen. Vielleicht ist manchem sogar posthum ein Licht aufgegangen. Ja, das ist der Grund für das, was wir "Normalos" oft als "unnormal" empfunden haben. Und Verständnis dafür, dass Jan uns bestimmt oft als oberflächlich und unlogisch empfunden hat.
Ein Plädoyer an Verständnis für Andersdenkende. Einfach nur anders, aber mit gleicher Würde und gleichen Rechten.
Christian hat das so nicht gesagt, aber ich sage das und packe mir dabei an die eigene Nase: Da haben wir ganz schön oft in die Scheiße getreten!