Der Abschied: erster Akt. Innere Vorbereitung.
Der Tag war ungefähr so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Nur viel eindrücklicher, viel schöner und viel anstrengender.
Als wir zur Friedhofskapelle gehen, ist alles schon vorbereitet. Der Sarg, Kränze, das Blumenherz, Kerzen. Auch die Musiker haben bereits ihr Equipment fertig.
Die ersten Besucher sind sogar schon da, obwohl es über eine halbe Stunde vor dem Beginn des Abschiedsgottesdienstes ist. Ich habe mir vorgenommen, einige Zeit vor der Kapelle zu bleiben. Schön, in Ruhe schon mal einige begrüßen zu können. So bin ich mit der großen Gruppe hinter mir schon mal in Kontakt, auch wenn wir vorne sitzen. Ich will nicht isoliert sein in der Masse, der stille Trauernde. Aber irgendwann entwickelt sich ein wahrer Besucherstrom und ich bin froh, mich in meine schützende erste Reihe verkrümeln zu können.
Ich merke, dass es mir nicht liegt, Teil einer Veranstaltung zu sein, die ich maßgeblich mitgeplant habe, und mich auf die anderen zu verlassen. Ich darf, ich muss dieses Mal die Impulse unterdrücken, mich einzumischen. Die Anderen können das, und sie machen das für mich, damit ich nicht abgelenkt bin vom eigentlichen, tiefen Grund meiner Anwesenheit: mein Sohn wird beerdigt. Krass. Dort im Sarg liegt er. Mein Herz glaubt es eigentlich gar nicht, auch wenn mein Verstand es ihm versichert. Eigentlich brauche ich noch Zeit, aber die läuft gerade ab. In einer Stunde wird alles vorbei sein. Muss ich dafür nicht viel klarer sein, emotional viel tiefer in dieser Situation? Einen Schalter gibt es nicht, also lasse ich mich einfach darauf ein.
Ich schaue mir den Sarg an und muss schlucken. Denke an seinen Körper, den wir am Dienstag noch gesehen haben, an seinen friedlichen, aber abwesenden Ausdruck. Er ist da, lediglich der Sargdeckel liegt darüber. Ich war dabei, als er gezeugt wurde, geboren, als er aufwuchs. Als er auszog. Und jetzt bei seiner Beerdigung. Sein ganzes Leben, sein ganzes Sein habe ich erlebt.
Ich kannte ihn wie vielleicht kein anderer Mensch auf dieser Welt. Mit Ausnahme von Sonja, aber sie kannte ihn etwas anders. Jetzt müssen wir sein irdisches Sein zum Ende tragen.