19:00 Uhr. Der Abend.
Wir sind wieder zuhause, Hunger hat keiner so richtig. Manchmal Tränen. Wir schreiben die erste E-Mail an unsere Freunde, die schon in den letzten Monaten für uns da waren, wenn wir sie brauchten.
Wir vier teilen viele Erinnerungen miteinander und tasten uns heran. Wie redet man über einen Toten, der einem doch so nahe sein sollte, aber doch so weit weg schien, in Bayreuth? Der tot ist, aber doch untrennbar zu unserer Familie gehört? Dessen Fehlen nicht sichtbar ist, dafür aber unabänderlich? Wir merken, wir werden freier, das tut gut. Es gibt keine Tabus und jeder darf erzählen, was er fühlt, oder eben auch nicht. Ich bin kein schlechter Vater, dass ich gerade nicht weinen kann. Tom und Micha sind keine schlechten Brüder.
Irgendwann wird es aus uns herausbrechen, da sind wir uns sicher. Irgendwie freue ich mich sogar darauf, denn ich weiß, es wird guttun und mir helfen beim Verarbeiten in Kopf und Herz. Jetzt ist da nur dieser Stein in der Brust.
Kleine Entlastung
Später sprechen wir mit dem Polizisten vom Kriminal-Dauerdienst, der vorort war. Für uns beruhigend: es war ein Unfall. Kein Selbstmord, keine Fremdeinwirkung. Er kann uns die Todesursache genauer erklären. Er ist sehr einfühlsam, erklärt die nächsten formalen Schritte und beantwortet viele Fragen. Der Fall liegt klar, er hat mit der zuständigen Staatsanwältin bereits gesprochen. Eine Obduktion ist nicht notwendig. Jan wird bald freigegeben werden können, dann kann die Überführung erfolgen.
All diese Worte, wie im Fernsehen. Doch dieses Mal spiele ich die Hauptrolle.
Auch wird jetzt klar: wir müssen nicht nach Bayreuth, dort können wir nichts tun. Sein WG-Zimmer müssen wir auch erst in den nächsten Wochen räumen, das dürfen wir vorerst vergessen.